Räumungsübungen in Industrie- und Bürogebäuden

Brandschutzordnung -Konzept/ BVS, Instandhaltung, Ersatzmaßnahmen, Flucht- u. Rettungspläne, Umsetzung von Richtlinien, Gesetzgebungen usw.
Koch

Räumungsübungen in Industrie- und Bürogebäuden

Beitragvon Koch » Di 15.07.2003 1:00

Hallo,

wer hat Informationen über die rechtliche Grundlage von Räumungsübungen von Industrie- und Bürogebäuden sowie über die zeitlichen Abstände in denen diese durchgeführt werden sollten.

Auch Erfahrungswerte von durchgeführten Räumungsübungen wären an dieser Stelle hilfreich.

A. Koch

Koch

Räumungsübungen in Industrie- und Bürogebäuden

Beitragvon Koch » Di 15.07.2003 1:00

Wer hat Infos über die zeitlichen Abstände in denen die Räumungsübungen wiederhollt werden sollten.

Nachstehend mein bisher zusammengetragenen Infos:

1. Gesetzliche Bestimmungen bezüglich Räumungsübungen

Landesgesetzliche Bestimmungen in den Bauordnungen (Musterbauordnung bzw. Landesbauordnungen der Länder)

§ 3 Allgemeine Anforderungen „ ... bauliche Anlagen sowie andere Anlagen und Einrichtungen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben und Gesundheit, nicht gefährdet werden.“

§ 17 Brandschutz „ ... bauliche Anlagen müssen so beschaffen sein, dass der Entstehung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.“

Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV vom 20.03.1975, zuletzt geändert durch Verordnung vom 04.12.1996, BGBl. l S. 1841)

§ 55 Flucht und Rettungswege „Der Arbeitgeber hat für die Arbeitsstätte einen Flucht- und Rettungsplan aufzustellen, wenn Lage, Ausdehnung und Art der Nutzung der Arbeitsstätte dies erfordern. Der Flucht- und Rettungsplan ist an geeigneter Stelle in der Arbeitsstätte auszulegen oder auszuhängen. In angemessenen Zeitabständen ist entsprechend dem Plan zu üben, wie sich die Arbeitnehmer im Gefahr- oder Katastrophenfall in Sicherheit bringen oder gerettet werden können.“

Sonderbauverordnungen (Für bauliche Anlagen besonderer Art und Nutzung)

In den Landesbauordnungen §38 werden die Vorgaben und Anforderungen zur Errichtung von Wohngebäuden aufgelistet. Für die Vielzahl von Gebäuden, die nicht zu Wohnzwecken genutzt werden, sind in sogenannten Sonderbauverordnungen weitreichende Anforderungen definiert worden. Diese Anforderungen für Räume und Anlagen besonderer Art und Nutzung sind in den entsprechenden Landesbauordnungen gelistet. Hier handelt es sich um :


- Versammlungsstätten
- Verkaufsstätten
- Hochhäuser
- Gewerbliche Betriebe
- Büro- und Verwaltungsgebäude
- usw.

Berufsgenossenschaftliche Vorschriften (BGR 134 bisher ZH 1/206, Regeln für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit / Einsatz von sauerstoffverdrängenden Gasen)

Mit Beginn des Löschalarms durch akustische oder optische Alarmierungseinrichtungen sind die von der Löschanlage erfassten Bereiche zu verlassen. Das Wiederbetreten der Räume ist nur dann gestattet, wenn eine Freigabe des erfassten Bereiches durch eine vom Unternehmer beauftragte Person erfolgt ist. Es ist angebracht, Sammelplätze festzulegen, die von den Versicherten nach der Räumung der Arbeitsplätze aufzusuchen sind. Auf diese Weise kann das Fehlen von Personen, die zuvor im gefährdeten Bereich tätig waren, festgestellt werden.

Berufsgenossenschaftliche Vorschriften (CHV 9 bisher ZH 1/75, Verordnung über brennbare Flüssigkeiten - VbF)

Anforderungen an Füll-, Entleer- und Flugfeldbetankungsstellen für brennbare Flüssigkeiten aller Gefahrenklassen. Füllstellen für Tanks von Tankfahrzeugen und für Tanks von Eisenbahnkesselwagen sind so anzulegen, dass eine Räumung der Füllstelle im Gefahrenfall in kurzer Zeit möglich ist.

2. Genehmigungsverfahren von Gebäuden

Im Genehmigungsverfahren von baulichen Anlagen wird auf der Basis der baurechtlichen Anforderungen ein genehmigungsfähiges Konzept formuliert. In diesem stehen die Anforderungen zur Rettung von Personen aus den entsprechenden Objekten im Vordergrund. Sie betreffen vor allem die Sicherstellung der entsprechenden Rettungswege. Der erste Rettungsweg ist hierbei immer baulich zu verwirklichen. Im Genehmigungskonzept werden hierzu dessen Anforderungen an die Feuerwiederstandsklasse, dessen Anordnung und Unterteilung in Rauchabschnitte ebenso festgeschrieben, wie dessen Dimensionierung und die Anzahl der auf den Rettungsweg angewiesener Personen (spätere Nutzer des Objektes). Der zweite Rettungsweg kann durch Rettungsgeräte der Feuerwehr nachgewiesen werden, sofern in den entsprechenden Sonderbauverordnungen nicht ein zweiter baulicher Rettungsweg gefordert wird.

3. Schwierigkeiten der Gebäudeverwaltung

Bei der Erstellung von Gebäuden wird ein Konzept festgeschrieben, in dem baurechtliche Parameter und Anforderungen festgeschrieben werden. Nach dessen Errichtung wird dieses dem Nutzer übergeben oder dieser erwirbt ein bestehendes Objekt. In beiden Fällen hat der Nutzer für notwendige Maßnahmen zu sorgen um den Anforderungen des § 17 der entsprechenden Landesbauordnung gerecht zu werden und eine Rettung von Menschen und Tieren zu ermöglichen und zu gewährleisten. Dies stellt den Nutzer vor erhebliche Problemstellungen bei der Kontrolle der Einhaltung der geforderten Maßnahmen.

An dieser Stelle sollen nur einige Problemstellungen exemplarisch aufgelistet werden:

- Durch Nutzungsänderungen können die im Brandschutzkonzept definierten Anforderungen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt wirksam sein.

- Anpassung der Flucht- und Rettungswege, deren Kennzeichnung sowie deren Anforderungen an den Brandschutz.


- Anpassung des Brandschutzkonzeptes an nachträglich installierte Nutzungseinheiten bzw. Nutzungsänderungen.

- Die brandschutztechnischen Anforderungen an alle Bauteile sind gemäß Brandschutzkonzept zu gewährleisten. Insbesondere bei Nachinstallationen der Gebäude- und Anlagentechnik.

- verschlossene Notausgänge und verstellte Fluchtwege.


- Freihalten der Schließbereiche von Brandschutztüren mit zugelassener Feststelleinrichtung um eine bestimmungsgemäße Funktion zu garantieren.

- Die Sicherstellung von erforderlichen Zuluftmöglichkeiten für das wirksame Umsetzen des Rauch- und Wärmeabzugskonzeptes.

- Die Anforderungen von Feuerschutzabschlüssen müssen eingehalten werden.

- Freihalten von Feuerwehraufstellflächen.

4. Besonderheiten von Gebäudenutzern

Konkrete Gefahrensituationen stellten Gebäudenutzer oft vor das Problem, das sie gewohnte Verhaltensmuster aufgeben müssen um die eingetretene Situation bewältigen zu können. Da jeder Mensch ein anderes subjektives Wahrnehmungsgefühl und andere Gewohnheiten aufweist, muss davon ausgegangen werden, dass jeder Gebäudenutzer ein anderes Reaktionsverhalten zeigt. Um diese Reaktion zu kanalisieren ist die Räumungsübung das geeignete Mittel. Hierdurch werden neben der organisatorischen Seite auch Verhaltensmuster der Nutzer überprüft.

Nachstehend exemplarisch einige Nutzergewohnheiten, die in Gefahrensituationen nicht übernommen werden können sowie einige Problemstellungen, die zu beachten sind:

- Es wird in der Regel versucht, das Gebäude auf demselben Weg zu verlassen, auf dem es betreten wurde.

- Die Nutzung von Aufzügen zum Erreichen und Verlassen von höher gelegenen Etagen gehört ebenso zu den Nutzergewohnheiten, die im Gefahrenfall aufgegeben werden müssen.

- Durch die regelmäßige Benutzung von Aufzügen ist die Kenntnis über zur Verfügung stehende (Flucht-)Treppenhäuser oft lückenhaft.

- Alarmsignal wird nicht als solches erkannt und somit wird das Gebäude nicht verlassen. Durch ein gehäuftes Auftreten von Täuschungsalarmen kann es aber auch zu einer Desensibilisierung der Nutzer kommen.

5. Schwierigkeiten bei Gebäuderäumung

Oft treten bei Räumungen von Gebäuden Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den betriebseigenen und externen Rettungskräften auf. Hier ist eine klare Schnittstellenbildung unter den Rettungskräften aber auch unter Einbeziehung der Geschäftsleitung anzustreben. Hierbei ist besonders darauf zu achten, das die fehlende Ortskenntnis der externen Rettungskräfte durch ortskundige und geeignete organisatorische Maßnahmen wie Feuerwehreinsatzpläne nach DIN 14095 kompensiert werden kann. Ferner ist oft die Lage der Sammelplätze nicht eindeutig. Hierdurch ist der Nachweis über eine komplette Räumung des Gebäudes oft schwer zu erbringen. Eine weitere Folge ist die erschwerte medizinische Versorgung an den Sammelplätzen. Ein zusätzliches Problem stellen Sammelplätze dar, die kalter oder nasser Witterung ausgesetzt sind bzw. bei Dunkelheit nicht beleuchtet sind. Die Evakuierung von Rollstuhlfahrern aus den oberen Etagen ist ebenfalls nicht unproblematisch. Eine weitere Schwierigkeit ist oft das Kompetenzgerangel zwischen der Betriebsleitung und der Einsatzleitung der Feuerwehr, die im Ernstfall das Sagen hat.

6. Fazit

Die Gebäuderäumung im Ernstfall ist ein komplexer Vorgang, der nur auf der Grundlage präventiver Planung und Organisation erfolgreich sein kann. Ein unverzichtbares Mittel um Schwachstellen in der Organisation aufzuzeigen ist die Räumungsübung. Die ermittelten Schwachstellen können dann analysiert und beseitigt werden. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Optimierung des Personenschutzes in Gebäuden. Ein weiterer wesentlicher Punkt zur erfolgreichen Umsetzung von Gebäuderäumungen ist eine klare Abstimmung und Aufgabenverteilung zwischen internen und externen Rettungskräften. Dies kann nur gelingen, wenn im Vorfeld die Feuerwehr in die Gesamtorganisation mit einbezogen wird. Als organisatorische Grundlagen für erfolgreiche Räumungsübungen sind neben der Brandschutzordnung nach DIN 14096 Teil A, B und C, sowie der Flucht und Rettungswegepläne nach BGV A8 (vormals VBG 125) auch das Vorhandensein von Feuerwehrplänen nach DIN 14095 empfehlenswert.

Falk_HL
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Registriert: Mo 16.06.2003 14:55

Räumungsübungen in Industrie- und Bürogebäuden

Beitragvon Falk_HL » Di 15.07.2003 1:00

Hey Andreas, kompliment für diese Ausführungen!!!

Ich denke im Wesentlichen ist alles angesprochen. Die Frage nach der Regelmäßigkeit lässt sich auch nicht in einem Satz beantworten.

Entscheidend ist zunächst mal die Größe der Nutzungseinheit, Anzahl der Beschäftigten und oder der durchschnittlich anwesenden Personen usw..

Welche organisatorische Strukturen sind vorhanden?

Notwendige Unterscheidung einer großen (komplett durchgeführten) oder parziellen Räumungsübung.

Was ist mein Status Quo?

Fragen über Fragen... Im Allgemeinen heißt es ...jedoch mind. einmal pro Jahr. Das trifft aber für die kleine wie für die große Übung zu.

Zu diesem Thema hat im Übrigen Herr Lambrecht (BASF,vfdb) mehrmals referiert, vielleicht sollten wir hier einen entsprechenden Kontakt aufbauen?

Grüßle
Grüße FH