Frage zu "Halböffentlichen" Gebäuden

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kleinerKeks

Frage zu "Halböffentlichen" Gebäuden

Beitragvon kleinerKeks » Mo 08.11.2010 16:26

Servus,

vorab, ich habe ein Weilchen im Board gesucht aber nichts entsprechendes gefunden was mir weiterhelfen könnten, wenns doch irgendwo etwas zur gleich dargestellten Problematik gibt würde ich mich über jeden link dorthin mehr als freuen ;)

Folgende Situation:

1. Die Materie: (Ort Berlin)
Das Gebäude ist ein Verwaltungsgebäude einer Krankenkasse - inklusive Labortechnicher Einrichtungen, diversen Ärzten (einer davon amtlich) und diversen Büros. im Obersten Stockwerk des betreffenden Treppenhauses (es gibt mehrere Aufgänge mit Mietern und weiteren Ärzten Büros etc.) gibt es 3 bezogene Mietwohnungen. Der komplette Gebäudekomplex besitzt einen zusammenhängenden Dachboden mit verbindung zu allen anderen Treppenhäusern (4 Stk) des Objekts.

Die Sicherheit:
Sobald von den medizinisch genutzten Einrichtungen niemand mehr im Hause ist werden beide Haustüren ( knapp 16cm dick und mehrfach mit Stahlgittern verstärkt) des Treppenhauses (Begründung der Verwaltung - Versicherungsschutz) vom Sicherheitsmännchen zugeschlossen. Tür 1 führt auf einen großflächigen Parkplatz, Tür 2 direkt zur Strasse. Das Problem: beide Türen lassen sich auf Grund ihrer alten Schlösser nicht von innen aufschließen. Ein Fluchtweg über den Dachboden ist ausgeschlossen da dort ebenfalls die (Stahlverstäkten) Türen immer abgeschlossen werden, die Schlüssel jedoch alle spezifisch für nur ein Treppenhaus angepasst sind (-> Schlüssel A passt nur in Tür A usw.)

Fazit:
Wenn es in diesem Hause nach Schließungszeit brennt - gibt es keine Möglichkeit für die Bewohner das Haus zu verlassen. Eine Möglichkeit zur Brandbekämpfung per Feuerlöscher oder ähnlichem existiert nicht, Fluchtwege sind ebenfalls nicht gekennzeichnet bzw. vorhanden. Gleichfalls dürfte es der Feuerwehr unmöglich sein schnell ins Gebäude zu gelangen, es sei denn sie felxen und schweißen sich 10min durch die Türen. Bleibt also noch der Sprung aus dem 4ten Stock mit sanfter landung auf dem Asphalt/Beton :roll:

Was wurde bis jetzt getan:
In Bezug darauf sind nun einige Mieter (darunter auch ich) auf der Suche nach einer rechtlichen Grundlage um die verwaltung dazu zu "zwingen" hier Verbesserungen zu unternehmen. Diese reagierte auf eine allgemeine Aufforderung aber abwehrend und bezog sich dabei auf Bestimmungen eines Versicherungsvertrages (für Labor etc.)
nun haben wir uns hingestzt und versucht ein Gesetz o.ä. rechtlich geltendes zu finden, leider ohne Erfolg, denn entweder findet man im netz etwas für betriebe oder für öffentliche Bereiche, aber nichts zu Mietwohnungen in "öffentlichen" Gebäuden was einem hier weiterhelfen könnte.

Die Frage:
gibt es ein Gesetz auf welches man sich beziehen kann, wie heisst dieses genau wo findet man dieses.

blank

Re: Frage zu "Halböffentlichen" Gebäuden

Beitragvon blank » Di 09.11.2010 17:55

Tach zusammen,

soll das wirklich heißen, es existieren Mietwohnungen, wo Mieter nachts eingeschlossen werden und es keine weiteren Zu- bzw. Ausgänge vom und zum öffentlichen Verkehrsraum gibt? Das hieße ja wiederum, es käme keiner von x bis x Uhr rein und raus, folglich auch kein Rettungsdienst rein, kein Mieter raus zur Arbeit etc. ???

Falls dies wirklich so sein sollte, muss der Zustand entweder unverzüglich geändert werden, oder aber die Nutzung der Wohnungen muss behördlich untersagt werden.

Zur Rechtslage:

Im Allgemeinen wird das in Deutschland schon im Artikel 2 des Grundgesetzes geregelt ->Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit; Heißt auch, jeder hat das Recht, eine bauliche Anlage so unbeschadet zu verlassen, wie er sie betreten hat.

Des Weiteren sei hier auf die Generalklausel des Brandschutzes der Bauordnungen der Länder verwiesen, die Generalklausel für Berlin:

BauO Bln

§ 14 Brandschutz
Bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.


Was auch eigentlich bundesweit einheitlich geregelt ist, ist das in Nutzungseinheiten mit mindestens einem Aufenthaltsraum wie Wohnungen, Praxen oder selbständige Betriebsstätten in jedem Geschoss mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie vorhanden sein müssen. andernfalls ist es in der Regel so, das seitens der Bauaufsichtsbehörden die Nutzung der Aufenthaltsräume untersagt wird. Vgl. hierzu auch zahlreiche Gerichtsverfahren, Urteile und -begründungen deutscher Verwaltungsgerichte (einfach mal googlen, hab aber auch welche hier), wo explizit die Nutzung solcher Wohnungen untersagt wurde.

Das Thema erster und zweiter Rettungsweg findet sich für Berlin im §33 BauO Bln wieder.

Zur strafrechtlichen Verantwortung im Zusammenhang mit einer derart gefährdenten Bauausführung sei auch auf den § 319 Strafgesetzbuch verwiesen:

§ 319 StGB
Baugefährdung

(1) Wer bei der Planung, Leitung oder Ausführung eines Baues oder des Abbruchs eines Bauwerks gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in Ausübung eines Berufs oder Gewerbes bei der Planung, Leitung oder Ausführung eines Vorhabens, technische Einrichtungen in ein Bauwerk einzubauen oder eingebaute Einrichtungen dieser Art zu ändern, gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet.

(3) Wer die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Wer in den Fällen der Absätze 1 und 2 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.


Gruß, Tim

Linse

Re: Frage zu "Halböffentlichen" Gebäuden

Beitragvon Linse » So 14.11.2010 0:02

Leider hat der Timeout meinen letzten Beitrag geschluckt, also nochmal:

Sollte es tatsächlich unmöglich sein, in der Nacht das Gebäude durch die Tür zu verlassen, nachdem der Wachdienst abgeschlossen hat, ist es aus meiner Sicht (ich bin kein Rechtsanwalt!) nicht nur ein Vergehen gegen den Brandschutz.
Vielmehr sehe ich darin eine Freiheitsberaubung nach §239 StGB.
Dabei hat sie der Wachdienst dann ausgeführt und der Vermieter dazu angestiftet. Sollte die Versicherung von den Mietwohnungen im Gebäude wissen, dann hat auch diese zu einer Straftat angestiftet.
Beides kann bei Verurteilung zu Geld und Freiheitsstrafen führen.


Ich hoffe aber mal, dass es sich um den typischen Fall handelt, dass die Mieter nur per Schlüssel herauskommen.
Dazu suche ich gerade noch nach einem Gerichtsurteil, dass dies aus Brandschutzgründen nicht statthaft ist.
Das Problem gibt es aber schätzungsweise in 30% der Gebäude mit mehr als zwei Mietparteien.
Die Brandschützer sind sich relativ einig, dass ein VERschließen gestattet ist, ein ABschließen nur, wenn ein Panikschloss verbaut ist.

Bezüglich der Situation, dass jeweils nur ein Treppenhaus nutzbar ist:
Da kann es tatsächlich sein, dass im Sinne des Brandschutzes ein Fluchtweg ausreichend ist, solange die Feuerwehr das nötige Rettungsgerät für die Schaffung eines zweiten Fluchtweges zur Verfügung hat. Und bei 4 Stockwerken in einem normalen Gebäude hat ziemlich sicher keine Berliner Drehleiter Schwierigkeiten ranzukommen.
Sollte der Treppenraum als "Sicherheitstreppenraum" gestaltet sein, ist es sogar ziemlich sicher, dass ein einziger Fluchtweg durch eben diesen reicht.


Ergänzung:
Es scheint verschiedene Urteile zum ABschließen zu geben. Aber pro Offenhaltung sprechen schonmal Urteile aus Göttingen und Frankfurt(Main) unter den Aktenzeichen AG FFM, Az. 33 C 1726/04-13 und LG Göttingen, Az. 5 S 15/85.

kleinerKeks

Re: Frage zu "Halböffentlichen" Gebäuden

Beitragvon kleinerKeks » So 14.11.2010 15:41

Danke Tim - deine Info's sind "gerade dabei" uns weiterzuhelfen

und auch Danke Linse, die Schlösser der Ausgangstüren sind sehr veraltet und lassen sich wie bereits oben beschrieben nicht von innen öffnen sofern sie abgeschlossen werden (sind also nur von aussen aufschließbar) ,eine Fluchtwegkennzeichnung existiert ebenfalls nicht und in allen Mietverträgen gibt es keinen Hinweise oder ähnliches in Bezug darauf;
wenn es einen Präzendenzfall diesbezüglich schon gegeben hat wären wir an dessen Ausgang sehr sehr interessiert. Vielen Dank im vorraus :-)